In den vergangenen fünf Jahren waren im Schnitt gut 63.000 Zivildienstleistende im Einsatz – meist in Einrichtungen für ältere, kranke und behinderte Menschen. Für Wohlfahrtsverbände wie AWO, Caritas oder Diakonie eine verlässliche Größe, mit der zu rechnen war, doch mit Abschaffung der Wehrpflicht im Juli 2011 gibt es diese nun nicht mehr. Stattdessen sollen sich nun Männer und Frauen aller Altersgruppen ehrenamtlich im Bundesfreiwilligendienst (BFD) engagieren, nicht nur in Altersheimen, sondern auch im Sport oder in Kultur- und Bildungseinrichtungen. Um diese ehrenamtlichen Kräfte muss heute nicht nur wegen des Wegfalls des Zivildienstes geworben werden. In den kommenden 15 Jahren wird es aufgrund des demografischen Wandels in Deutschland 20 Prozent weniger junge Menschen geben. Diese werden zudem vom Arbeitsmarkt dringend als Fachkräfte benötigt.
„Umso wichtiger ist es, dass Freiwilligendienste attraktiv bleiben, ihren Mehrwert für die Gesellschaft und die jungen Menschen deutlich machen und neue Zielgruppen erschließen“, betont DJI-Direktor Prof. Dr. Thomas Rauschenbach. Dass sich freiwilliges oder ehrenamtliches Engagement gerade für junge Menschen lohnt, belegen aktuelle Auswertungen des Deutschen Jugendinstituts. Von den über 800 (ehemaligen) Zivildienstleistenden, die im Rahmen des DJI-Surveys AID:A befragt wurden, bestätigen drei Viertel positive Effekte des Dienstes sowohl auf die persönliche Entwicklung als auch auf den Einstieg ins Arbeitsleben durch den Erwerb sogenannter Soft Skills.
Zivildienst ist Lernort für persönliche und fachliche Weiterentwicklung
Besonders die praktische Arbeit bot den Zivildienstleistenden viele Lernmöglichkeiten. So sahen es 91 Prozent der Befragten. Daneben waren Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen der Dienststelle oder des Trägers für 61 Prozent der jungen Männer lehrreich, während der Einführungslehrgang an der Zivildienstschule nur knapp einem Drittel die Gelegenheit bot, etwas Neues zu lernen – ein wichtiger Befund mit Blick auf die künftigen Lehrgänge, die für Freiwillige des BFD an den Zivildienstschulen angeboten werden sollen. Als für sie am wertvollsten stuften die Zivildienstleistenden das Gespräch und den Kontakt mit Kolleginnen und Kollegen ein. 85 Prozent sahen hierin den größten Lerneffekt.
Nur für 15 Prozent der ehemaligen Zivildienstleistenden war der Zivildienst rückblickend eine „vertane Zeit“. Vielmehr konnten 88 Prozent der jungen Männer nach eigenen Angaben ihre Teamfähigkeit ausbauen. 82 Prozent erklärten, die Fähigkeit weiterentwickelt zu haben, für andere Personen Verantwortung zu übernehmen. Außerdem verbesserten 87 Prozent ihre Empathie und ihr Verständnis für die Probleme Anderer. 80 Prozent der Männer gaben an, während ihres Dienstes selbstständig gearbeitet zu haben. 75 Prozent der Zivildienstleistenden konnten ihre Kenntnisse in den Bereichen Betreuung, Pflege und Haushalt erweitern; das Verständnis für ältere, behinderte oder gesellschaftlich benachteiligte Menschen ist bei 84 Prozent der Zivildienstleistenden gewachsen.
Angesichts dieser positiven Bilanz ist bedenkenswert, dass bislang vergleichsweise wenige junge Menschen mit niedrigen Bildungsabschlüssen und Migrationshintergrund an der Erfahrung teilhaben, sich für ein soziales Projekt oder für die Unterstützung Bedürftiger einzusetzen.
Junge deutsche Frauen mit Abitur sind am häufigsten freiwillig engagiert
Junge deutsche Frauen mit Abitur bilden bislang die größte Gruppe der ehrenamtlich tätigen jungen Menschen. Der Anteil von Personen mit Hauptschulabschluss ist bei den Freiwilligendiensten mit zehn Prozent auffällig gering. Am ehesten lassen sich junge Männer und Frauen mit Realschulabschluss (30 Prozent) und Abitur (rund 50 Prozent) gewinnen. Die Quote von jungen Menschen mit Migrationshintergrund liegt bei den Freiwilligendiensten mit zehn Prozent ebenfalls weit unter den altersentsprechenden Anteilen. Einen Grund für diese Quoten sieht DJI-Direktor Prof. Dr. Thomas Rauschenbach in der sehr heterogenen Ausstattung der Jugendlichen mit ökonomischen, kulturellen und sozialen Ressourcen. Denn einen Freiwilligendienst müsse man sich zeitlich, biografisch und finanziell leisten können. So bleiben die attraktiven Gegenwerte wie die mögliche Aneignung von Alltagskompetenzen wie auch von personaler und sozialer Bildung, die andere Bildungsorte in dieser Form nicht bieten können, vielen benachteiligten jungen Menschen aufgrund ihrer sozialen Herkunft noch verschlossen.
Benachteiligte Jugendliche für Freiwilligendienste interessieren
Um junge Menschen für Freiwilligendienste zu interessieren, sollte laut Rauschenbach bei der Rekrutierung den unterschiedlichen Erwartungen, Voraussetzungen und Notwendigkeiten von Motivgruppen passgenauer begegnet werden. Für sozial benachteiligte Jugendliche müssten zudem Themenfelder und Bereiche gefunden werden, in denen eine intensivere Betreuung gewährleistet und eine größere Fehlertoleranz möglich ist. Für die erfolgreiche Absolvierung eines Freiwilligendienstes, auch dies ein Ergebnis von DJI-Studien, müsse bei der Gruppe der benachteiligten jungen Menschen zur gegebenen pädagogischen Begleitung eine kontinuierliche persönliche sozialpädagogische Betreuung hinzu kommen.
Quelle pressrelations.de