Schwangere und Neugeborene sind dramatisch unterversorgt mit Vitamin D. Das ist das Ergebnis einer Studie von Prof. Dr. Clemens Kunz vom Institut für Ernährungswissenschaft der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) zusammen mit Dr. Peter Gilbert, Chefarzt des St. Josef-Krankenhauses in Gießen. Es ist die erste Studie in Deutschland, die die tatsächliche Vitamin D-Versorgung dieser Gruppe anhand von Blutuntersuchungen überprüft. Kunz und Gilbert schließen aus den Ergebnissen, dass eine wesentlich höhere Vitamin D-Zufuhr für schwangere Frauen wie auch für viele andere Bevölkerungsgruppen dringend erforderlich ist, um gesundheitliche Folgen wie Störungen des Knochenaufbaus zu vermeiden. Eine höhere Aufnahme von Vitamin D könnte über Nahrungsergänzungsmittel, angereicherte Lebensmittel oder Arzneimittel erfolgen. „Zunächst sind jedoch die Behörden gefordert, die Zufuhrempfehlungen zu erhöhen“, so Kunz. Zurzeit empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) für Erwachsene – darunter auch schwangere und stillende Frauen – die Aufnahme von fünf Mikrogramm (µg) Vitamin D (200 IE) pro Tag. In Kanada beispielsweise liegt die Empfehlung für die tägliche Vitamin D-Zufuhr zehnmal höher.
In seiner Studie hat Kunz in Zusammenarbeit mit dem St. Josefs-Krankenaus in Gießen von Oktober bis Dezember 2010 bei 84 schwangeren Frauen zum Zeitpunkt der Entbindung Blutproben nehmen lassen. Gleichzeitig wurde eine Probe aus dem Nabelschnurblut des Kindes entnommen. Dann untersuchten die Wissenschaftler die Konzentration von 25 OH D im Blut, das ist die Speicherform von Vitamin D, die sich für die Bestimmung des Vitamin D-Status am besten eignet. Das Ergebnis: Ein Vitamin D-Mangel lag bei 90 Prozent der Frauen und bei 88 Prozent der Säuglinge vor. Nur zwei der 84 Frauen und drei der untersuchten neugeborenen Kinder wiesen 25 OH D-Konzentrationen auf, die mit mehr als 50 Nanomol pro Liter (nmol/L) über den neuesten Empfehlungen des Institute of Medicine (USA) von 2011 liegen.
In mehreren internationalen Studien haben Wissenschaftler bereits den Einfluss des mütterlichen Vitamin D-Status auf die Gesundheit des Neugeborenen untersucht. Dabei konnten sie einen eindeutigen Zusammenhang zwischen niedrigen 25 OH D-Werten und einer erhöhten Inzidenz an akuten Infektionen des unteren Atmungstrakts, einer abnehmenden Mineralisation des Knochens, einer Rachitis, von Frühgeburten und der Gehirnentwicklung nachweisen. Interventionsstudien der letzten Jahre bestätigen die schlechte Versorgung vieler schwangerer Frauen während dieser sensiblen Phase. Sie verdeutlichen gleichzeitig, dass die bisherigen Zufuhrempfehlungen in Deutschland keinen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung des Vitamin D-Status in dieser kritischen Phase leisten.
Ein Mangel an Vitamin D führt zu Störungen des Knochenaufbaus. Rachitis, Knochenerweichung (Osteomalazie) oder Osteoporose können die Folge sein. Denn ist nicht genügend Vitamin D vorhanden, wird Kalzium vermehrt aus den Knochen mobilisiert – anstatt es aus der Nahrung aufzunehmen -, um die die nötige Kalzium-Konzentration im Blut aufrecht zu erhalten.
Nachweisen lässt sich ein Vitamin-D-Mangel neben der Bestimmung von 25 OH D durch Knochendichtemessungen oder die Bestimmung des Parathormons im Blut. Zu den Risikogruppen für einen Vitamin D-Mangel gehören zum Beispiel schwangere und stillende Frauen sowie deren Säuglinge und ältere Menschen.
Vitamin D
Vitamin D ist die inaktive Vorstufe eines Hormons, das an der Regulation des Kalziumhaushalts und der Mineralisation der Knochen beteiligt ist. Der Körper kann es mithilfe von Sonnenlicht selbst in der Haut herstellen – die Versorgung mit Vitamin D ist im Winter und Frühjahr daher in der Regel schlechter als im Sommer und Herbst. Über die Nahrung, zum Beispiel fettreichen Fisch, wird Vitamin D nur in geringen Mengen aufgenommen, da Fisch nicht täglich verzehrt wird.
Die Daten aus der Nationalen Verzehrsstudie II (NVS II, 2008) zeigen, dass in Deutschland eine Unterversorgung der Bevölkerung mit Vitamin D vorliegt. 82 Prozent der Männer und 91 Prozent der Frauen erreichen selbst die empfohlene tägliche Zufuhrmenge von 5 µg Vitamin D nicht. Diese Daten basieren allerdings auf Zufuhrdaten, nicht auf der Bestimmung des Vitamin D-Status durch die Messung von 25 OH D im Blut. Auch das Robert Koch-Institut schätzt die Versorgung der deutschen Bevölkerung auf Basis des Deutschen Gesundheitssurveys 1998 und des Kinder- und Jugendsurveys mit Vitamin D als unzureichend ein. Stichproben ergaben, dass über 62 Prozent der Jungen und Mädchen und über 57 Prozent der Erwachsenen einen Vitamin-D-Mangel aufweisen.
Quelle pressrelations.de