Bei der Novellierung der Straßenverkehrsordnung (StVO) im September 2009 durch die sogenannte Schilderwaldverordnung ist es zu einer Panne gekommen. Weil dabei eine Übergangsklausel für die Fortgeltung von Verkehrsschildern vergessen wurde, die vor 1992 eingeführt wurden, drohte auf Behörden und Justiz eine Einspruchswelle gegen Bußgeldbescheide zuzurollen. Haushaltsbelastungen durch den Schilderaustausch wurden zur absehbaren Folge. Gestern dann hastiges Gegensteuern des Bundesverkehrsministers: Er verkündete flugs, in der aktuellen StVO-Novelle von September verstecke sich ein bislang unentdeckter Formfehler, was natürlich seinem Vorgänger anzulasten sei. Es fehle in der Schilderwaldverordnung am korrekten Hinweis auf die Ermächtigungsgrundlage, das Straßenverkehrsgesetz. Damit sei die Verordnung nichtig. Und was nie mit Rechtskraft ausgestattet war, könne auch nicht die Straßenverkehrsordnung geändert haben. Damit gelte der alte Zustand.
Also doch keine Chance, sich gegen Bußgeldbescheide zu wehren, die unter einem alten Schild ausgestellt wurden? „Das ist lediglich die Sicht des Ministers“, stellt Rechtsanwalt Christian Demuth klar, „ob die Gerichte diese Einschätzung teilen, muss sich erst einmal zeigen.“ Der Mitbetreiber des Verkehrsrechtsportals straffrei-mobil.de warnt betroffene Autofahrer, angesichts des ministeriellen Machtwortes leichtfertig auf eigene Rechtsschutzmöglichkeiten zu verzichten: „Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Gerichte die Wirksamkeit der Verordnung anders bewerten können. Sämtliche 88 Schildertypen, für die ab 1992 neue Versionen eingeführt wurden, wären dann erstmal ungültig – solange der Gesetzgeber nicht eine neue Verordnung erlässt, die wieder eine Übergangsregelung mit aufnimmt.“
Im Zuge der Reform wurden alle vor 1992 gestalteten Verkehrsschilder ungültig, darunter auch Schilder für Überholverbot, zulässiger Höchstgeschwindigkeit, Halteverbot und Fußgängerüberweg. Wo sie heute noch nicht ausgetauscht sind, bestehen gute Aussichten für Auto- und Kradfahrer, sich mit einem Einspruch erfolgreich gegen einen Bußgeldbescheid und Punkte in Flensburg fürs Rasen oder Überholen zu wehren. Wer den Verstoß nach einem abgelaufenen Verkehrszeichen begangen hat, darf mangels gültiger Rechtsgrundlage auch nicht abkassiert werden. Gleiches gilt für Knöllchen wegen Falschparkens nach einem veralteten Halteverbotsschild.
Mit dem Zurückrudern des Ministeriums droht aus Schilda nun gar eine Bananenrepublik zu werden. „Einem Rechtsstaat steht es jedenfalls nicht gut zu Gesicht, wenn die Gesetzgebungsexperten bei einer solch missglückten Verordnung dann auch schnell noch einen Formfehler entdecken, der das Ganze von Anfang an unwirksam macht“, moniert Demuth. „Es bleibt dem Gesetzgeber unbelassen, seine Fehler zu korrigieren, seine handwerkliche Inkompetenz zulasten der Rechtssicherheit für Autofahrer zu vertuschen, ist jedoch klar der falsche Weg.“
Infos: www.straffrei-mobil.de
Quelle pressrelations.de