„Wir wollen doch nur lernen!“ – Die geplagten Kinder von Demasiko
München, 13. Mai 2019. Die Schülerinnen und Schüler der Demasiko Higher Primary School im Hochland Äthiopiens haben mit vielerlei Problemen zu kämpfen: Eines sind die Sandflöhe in den Klassenräumen. Sie bohren sich in die Haut der Mädchen und Jungen und verursachen fürchterliche Schmerzen. Die kleinen Parasiten lauern auf dem nur dünn mit Stroh bestreuten Lehmboden in den Klassenräumen. „Es tut mir manchmal so weh, dass ich kaum noch gehen kann“, sagt der zwölfjährige Yimam Ayalew. „Wie soll ich mich da auf den Unterricht konzentrieren?“
Die nur einen halben bis einen Millimeter kleinen Insekten bohren sich an den Zehennägeln unter die Haut. Dort schwellen die Blutsauger in wenigen Tagen zu einer Kugel von bis zu drei Millimetern an. Zwar stirbt das Tier unter der Haut nach etwa zwei Wochen. Doch bis dahin hat es Hunderte Eier gelegt. Nur wenige Tage später sind die Flöhe entwickelt und setzen den Kindern weiter zu.
Täglich droht Einsturzgefahr
Neben den bissigen Sandflöhen machen jedoch auch andere Umstände das Lernen für die Schülerinnen und Schüler zur Qual – oder gar unmöglich. Die alte Schule etwa, in der die Kinder und Jugendlichen unterrichtet werden, wurde damals aus Holz und Lehm gebaut. Termiten zerfressen langsam aber stetig das Gebälk. Schon jetzt schließen die einfachen Türen nicht mehr. In nicht allzu ferner Zukunft wird die Holzkonstruktion einstürzen.
In der Sommerzeit ist es in den kleinen und engen Klassenräumen staubig und heiß. Bei Regen tropft es hinein, verschließt man die kleinen Fensteröffnungen, muss der Unterricht im Dunkeln stattfinden. Es gibt keinen Strom. Kein Wasser. Es fehlt an allem.
So auch an Tischen und Bänken. Mehrere Kinder drängen sich an die uralten Holztische. Häufig sitzen sie auf dem Boden. „Wie soll ich da richtig lernen? Ich habe kaum Platz für mein Heft und es ist auch oft so dunkel, dass ich kaum etwas an der Tafel lesen kann“, erzählt die 15-jährige Habtam Hassan. Schulbücher sind Mangelware und Lernhilfen oder Sachbücher gibt es in Demasiko nicht.
„Außerdem haben wir hier kein Wasser und auch keine Toiletten. Die Hygienebedingungen sind fürchterlich“, klagt Andenet Kassa, der seit elf Jahren an der Schule unterrichtet. Auch für die Lehrer ist die Situation kaum besser: „Wir haben keinen eigenen Raum. So sitzen wir oft auf Steinen im Freien und bereiten dort unseren Unterricht vor.“
Kein Wunder also, dass viele der Schülerinnen und Schüler der Demasiko Higher Primary School bereits in jungen Jahren dem Unterricht fernbleiben. Die Folge: Es bleibt ihnen die Chance auf den Besuch einer weiterführenden Schule verwehrt.
Neue Schule schenkt Hoffnung
Doch die Zeit der Strapazen wird für die Kinder von Demasiko bald vorbei sein. Denn die Stiftung Menschen für Menschen – Karlheinz Böhms Äthiopienhilfe ( www.menschenfuermenschen.de) errichtet auf dem Gelände der alten Schule neue, funktionelle Gebäude und verbessert damit die Startchancen für die junge Generation. Drei Bauten mit jeweils vier Klassenräumen, ein Verwaltungsgebäude sowie Toiletten sollen entstehen und mit Schulmöbeln ausgestattet werden. Ebenso sorgt die Äthiopienhilfe für Bücher.
Bis Ende 2019 soll der Schulkomplex fertiggestellt werden und den Schülerinnen und Schülern in Demasiko endlich ein Lernen unter würdigen Bedingungen ermöglichen.
Ohne Bildung keine Entwicklung
Während in den großen Städten in Äthiopien es in vielen Bereichen Fortschritte gibt, können im ländlichen Äthiopien noch immer Millionen Kinder und Jugendliche keine Schule besuchen; Millionen von Unterrichtsstunden fallen wegen Lehrermangels aus. Dabei ist Bildung und Wissen die Grundlage für jegliche Verbesserung der Lebensumstände der Menschen in Äthiopien. Ohne effektive Bildung gibt es auch keinen wirtschaftlichen Fortschritt für das Land. Deshalb engagiert sich Menschen für Menschen für den Bau von Schulen sowie für den Ausbau von Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten, etwa durch den Bau von Berufsbildungszentren. Die Schulen werden mit Möbeln, Büchern und Lernmaterial ausgestattet. Außerdem werden die Gebäude genutzt, um Landwirtschaftskurse oder Hygieneschulungen durchzuführen. Auch funktionale Alphabetisierungskurse für Erwachsene finden dort statt.
Hintergrundinformation
In der Projektregion Wogdi, 580 Kilometer nordöstlich von Addis Abeba, ist Menschen für Menschen seit 2013 aktiv. In Wogdi, das zum Regionalstaat Amhara gehört, leben rund 150.000 Menschen. Die meisten Schulgebäude in Wogdi befinden sich in einem sehr schlechten Zustand, mancherorts muss im Freien unter Bäumen unterrichtet werden. Gegen diesen Notstand hat Karlheinz Böhms Äthiopienhilfe bis heute sechs neue Schulen dort gebaut. Drei weitere – unter anderem die Demasiko Higher Primary School – befinden sich derzeit im Bau.
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Über Menschen für Menschen
Die Stiftung Menschen für Menschen leistet seit 37 Jahren nachhaltige Hilfe zur Selbstentwicklung in Äthiopien. Im Rahmen integrierter ländlicher Entwicklungsprojekte verzahnt Menschen für Menschen gemeinsam mit der Bevölkerung Maßnahmen aus den Bereichen Landwirtschaft, Wasser, Bildung, Gesundheit und Einkommen. Den Grundstein für Menschen für Menschen legte am 16. Mai 1981 der damalige Schauspieler Karlheinz Böhm (gest. 2014) mit seiner legendären Wette in der Sendung „Wetten, dass..?“. Die Stiftung trägt seit 1993 durchgängig das Spendensiegel des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI). Menschen für Menschen setzt die Maßnahmen derzeit in elf Projektgebieten mit über 620 fest angestellten und fast ausschließlich äthiopischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern um.
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