Deutscher Diabetiker Bund kritisiert Bonus-Modell der AOK Baden-Württemberg: Vertrag mit Augenärzten geplant

Sep 1, 2012
Obst und Medizin

Vertrag mit Augenärzten: Deutscher Diabetiker Bund kritisiert Bonus-Modell der AOK
Baden-Württemberg scharf: Anwendung von nicht zugelassenem Medikament „Avastin“
soll belohnt werden – „Therapieerfolg muss Priorität haben“
Kassel. Der Deutsche Diabetiker Bund (DDB), dessen baden-württembergischer Landesverband und die Selbsthilfeorganisation „PRO RETINA Deutschland“ lehnen den geplanten Facharztvertrag der AOK Baden-Württemberg mit Augenärzten strikt ab. Die Krankenkasse hatte jüngst in einem Schreiben darüber informiert, sie wolle baden-württembergischen Augenärzten, die von Blindheit bedrohte Menschen behandeln, mit einem Bonus belohnen. Im Kern geht es um die Verabreichung des nicht zugelassenen Medikaments „Avastin“. Weil das Thema Augenmedizin für die rund zehn Millionen Diabetiker in Deutschland von zentraler Bedeutung ist, regt sich in der DDB-Zentrale großer Widerstand.
„Mehr als drei Millionen Diabetiker in Deutschland leiden bereits unter der sogenannten „diabetischen Retinopathie“. Sie zählt zu den häufigsten Folgeerkrankungen der chronischen Stoffwechselerkrankung Diabetes. Eine solche Vereinbarung zwischen Kasse und Ärzten würde unser Bestreben, Diabetikern in Baden-Württemberg eine adäquate Vorsorge oder Behandlung zu bieten, im Keim ersticken. Dass die Verabreichung des nicht zugelassenen Medikaments „Avastin“ per Vertrag gefördert und mit einem Bonus belohnt werden soll, ist skandalös“, sagt DDB-Bundesvorsitzender Dieter Möhler.
Professor Dr. med. Stephan Jacob, Internist, Endokrinologe/Diabetologe und Sprecher des „Arbeitskreises Herz & Diabetes“ der Deutschen Diabetes Gesellschaft, bestätigt: „Es muss dringend gehandelt werden, denn die diabetische Retinopathie ist die häufigste Ursache einer Erblindung der erwerbstätigen Bevölkerung in den Industrieländern. Bei einer fortgeschrittenen Retinopathie kommt es häufig zu einem diabetesbedingten Makulaödem. Mit einer intravitrealen Injektion könnten Patienten vor dem Erblinden bewahrt werden; und das evidenzbasiert, das heißt: mit wissenschaftlich nachgewiesenen Therapien.“
Elke Brückel, DDB-Landesvorsitzende in Baden-Württemberg, hat sich bereits schriftlich an das „Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familien, Frauen und Senioren“ gewandt und angemahnt, dass die Gesundheitskasse den finanziellen Anreiz für Augenärzte bewusst über das Wohl der Patienten stelle.
Brückel: „Wir als Patientenorganisation halten es für nicht vertretbar und völlig unakzeptabel, wenn Ärzte per Vertrag dazu angehalten werden, therapeutische Maßnahmen nach rein wirtschaftlichen Faktoren anstatt nach medizinischen Aspekten auszurichten. Für uns gilt: Die erfolgreiche Therapie muss Priorität haben.“ Die aktuelle Gesetzgebung in Frankreich bezeichnete Brückel als eindeutigen Fingerzeig. „Frankreich hat die Verabreichung von Avastin wegen des Sicherheitsrisikos und der häufiger aufgetretenen Entzündungen am Auge verboten. Daran sollte sich Deutschland orientieren. Ich halte sogar eine EU-weite Anpassung für zwingend.“
Ute Palm, Stellvertretende Vorsitzende von „PRO RETINA Deutschland“, einer Selbsthilfeorganisation von Menschen mit Netzhaut-Degenerationen, bezeichnet das Vorhaben als „Mogelpackung, die Ärzte und Patienten unter Druck setzt, wenn es darum geht, sich für eine nicht zugelassene Therapie zu entscheiden“. Zudem werde das Vertrauensverhältnis zwischen Ärzten und Patienten massiv beschädigt, „weil Ärzte mit einem finanziellen Anreiz dazu verleitet werden könnten, kostengünstige Substanzen einzusetzen, die für die jeweilige Indikation nicht zugelassen sind. Und das, obwohl zugelassene Medikamente verfügbar wären“, kritisiert Palm.
Der Deutsche Diabetiker Bund und die Selbsthilfeorganisation fordern die Politik dazu auf, die geplante Vereinbarung in Baden-Württemberg zwischen Kasse und Ärzten zu untersagen und das Thema Facharztverträge grundsätzlich zur Chefsache zu machen. „Darüber hinaus ist es zwingend erforderlich, sich verstärkt um die Vorsorge und Behandlung von Menschen zu kümmern, die an der diabetischen Retinopathie leiden“, so DDB-Vorsitzender Möhler.
Quelle pressrelations.de

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