Ein wichtiger Teil der Aktivierung des mikrobiellen Immunsystems ist die Reifung der crRNAs. Wissenschaftler im schwedischen Umeå haben jetzt in Zusammenarbeit mit Kollegen der Universität Würzburg einen neuen Weg gefunden, der zur Aktivierung der crRNAs führt. Die Ergebnisse werfen neues Licht auf die Übertragung von Virulenz bei Krankenhauskeimen und die Immunität von Bakterienstämmen bei der Herstellung von Milchprodukten (Nature, 31. März 2011).
Mikroorganismen sind ständigen Angriffen durch Viren, Bakteriophagen genannt, oder ringförmigen Nukleinsäuren anderer Bakterien, Plasmiden, ausgesetzt. Diese fremden Gene können das Genom des Wirts zur Selbstzerstörung umprogrammieren oder ihm neue Eigenschaften zur Antibiotika-Resistenz verleihen.
Um sich gegen eine Infektion zu schützen, entwickelten Mikroorganismen ein ausgeklügeltes Abwehrsystem. CRISPRs ist die Abkürzung für die englische Bezeichnung Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats. Dies sind Genabschnitte für ein Protein (Cas) und zusätzlich sogenannten Spacern, Abschnitten, die spezifisch fremde Gene erkennen und deren Zerstörung bestimmen. Zwischen diesen kodierenden Gensequenzen befinden sich wiederholende gleiche Genabschnitte. Das mikrobielle Immunsystem ist sehr komplex und es existieren viele Subtypen, die sich in der Kombination der beteiligten Genabschnitte unterscheiden.
Der CRISPR/CAS Mechanismus ist erst seit wenigen Jahren bekannt und viele Details um seine Regulation und Mechanismen sind noch unklar. Völlig neue Erkenntnisse liefert nun die Forschungsarbeit von Dr. Emmanuelle Charpentier und ihrem Team am Labor für Molekulare Infektionsmedizin (MIMS) im schwedischen Umeå in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Jörg Vogel am Institut für Molekulare Infektionsbiologie (IMIB) der Universität Würzburg, Deutschland.
Wie funktioniert das Immunabwehrsystem CRISPR/Cas in Mikroorganismen? Wenn Bakterien und Archaeen Virus- oder Plasmid-Angriffen ausgesetzt sind, werden kurze Stücke von der feindlichen DNA injiziert und in den CRISPR-Genkomplex eingebaut. Diese Veränderung des Genoms führt zur Umprogrammierung der mikrobiellen Wirtszelle, die die eingebauten Genabschnitte als immunologisches Gedächtnis nutzt und der Zelle Immunität gegen künftige Infektionen mit den gleichen Genen verleiht. Im nachfolgenden Prozess, der crRNA-Reifung, bildet die Wirtszelle RNA-Moleküle, die dem CRISPR-Komplex korrespondieren. Diese RNA-Moleküle werden in spezifische Sequenzen gespalten und im letzten Schritt der Immunreaktion, dem sogenannten Stilllegen der fremden Gene, erkennen diese kurzen crRNA-Stückchen das Fremdgenom wieder und führen es der zellulären Abbaumaschine zur Zerstörung zu.
Bisherige Forschung ging davon aus, dass bei allen Reaktionen des Immunsystems die Beteiligung von Cas-Protein ausreicht. Die neusten Forschungsergebnisse von Charpentier und ihren Kollegen zeigen jetzt, dass zusätzliche Faktoren im Wirtsgenom für die Aktivierung des CRISPR-Mechanismus benötigt werden, die an RNA-Interferenz bei höheren Organismen erinnern.
“Wir haben die CRISPR/Cas-Immunreaktion in unserem Modellorganismus, Streptococcus pyogenes, einem humanpathogenen Bakterium untersucht“, erklärt Dr. Emmanuelle Charpentier, die die Studie leitete und ehemals an den Max F. Perutz Laboratories in Wien, Österreich, tätig war. „Völlig überraschend entdeckten wir einen neuen Reaktionsweg zur Aktivierung von CRISPR, bei dem – bisher völlig unbekannt – drei neue Faktoren an der Reifung der crRNA beteiligt sind: (1) kurze RNA-Stücke (small RNA), (2) ein Protein des Wirts, Endoribonuklease III genannt, und (3) ein bisher unbekanntes Protein Csn1.“
“Das Zusammenspiel dieser Faktoren führt zu einem besonders exakten Abwehrmechanismus“, erklärt Charpentier. „Das kleine Erkennungs-RNA -Molekül bindet jeweils an der sich wiederholenden Stelle der CRISPRs-Vorläufer RNA. Dieser Komplex wird dann von der bakterieneigenen Endoribonuklease III erkannt und spaltet unter Mithilfe von Csn1 die RNA in die kurzen crRNA-Stückchen. Diese können die fremden Gene in Zukunft korrekt erkennen und beseitigen.“ Bei Eukaryoten sind es die Enzyme Dicer und Drosha, die mit den Endoribonukleasen III zusammenwirken und zur Bildung von kleinen interferierenden RNA-Molekülen führen.
„So gesehen, haben wir nun gezeigt, dass der bakterielle Mechanismus zur Reifung von crRNA unter Beteiligung von Endoribonuklease III während der Evolution zu Eukaryonten konserviert blieb“, erklärt Charpentier. “Dies zeigt, dass das CRISPR/Cas System in vielen Varianten in unterschiedlichen Organismen vorkommen kann. Zusätzlich stellt sich nun die Frage, ob vielleicht noch weitere Faktoren der bakteriellen Wirtszelle bei Immunabwehr benötigt werden könnten. Dies werden künftige Forschungsprojekte zeigen.“
“Der neue Reaktionsweg schützt die Bakterien davor, von Phagen abgetötet zu werden“, fährt Charpentier fort. “Wir konnten zeigen, dass dieser Mechanismus die Bakterien vor der Übertragung weiterer Krankheitsfaktoren durch Viren schützt. Bei Erregern, die wir in Krankenhäusern isolierten, verhinderte das CRISPR-System die Übertragung von Virulenzfaktoren. Damit könnte CRISPR auch einen alternativen Ansatz zur Bekämpfung von resistenten Krankheitserregern in Kliniken eröffnen.“
“Alternativ kann die besondere Förderung des neuen Signalweges bei nützlichen Bakterienstämmen dazu führen, dass Nutzorganismen gegen zerstörerische Viren-Angriffe resistent bleiben und nicht verändert werden. Dies könnte beispielsweise zu höherer mikrobieller Stabilität in der Produktion von Molkereiprodukten führen. “
Anfragen bitte an:
Dr. Emmanuelle Charpentier
The Laboratory for Molecular Infection Medicine Sweden (MIMS) and the
Umeå Centre for Microbial Research UCMR
Umeå University
90187 Umeå Sweden
emmanuelle.charpentier@mims.umu.se
www.mims.umu.se www.ucmr.umu.se
Originalpublikation:
Elitza Deltcheva, Krzysztof Chylinski, Cynthia M. Sharma, Karine Gonzales, Yanjie Chao, Zaid A. Pirzada, Maria R. Eckert, Jörg Vogel & Emmanuelle Charpentier; CRISPR RNA maturation by trans-encoded small RNA and host factor RNase III. Nature 31 March 2011 (doi:10.1038/nature09886).
Die schwedisch-deutsche Forschungs-Zusammenarbeit wurde durch den schwedischen Forschungsrat, die Deutsche Forschungsgemeinschaft, das deutsche Bundesministerium für Bildung und Forschung und die Europäische Union finanziert.
Das Labor für Molekulare Infektionsmedizin Schweden, MIMS, ist der schwedische Teil der nordischen EMBL-Partnerschaft für Molekulare Medizin. Die Erforschung der molekularen Mechanismen von Infektionen und die Entwicklung neuer antimikrobieller Strategien stehen im Fokus der Forschung. MIMS ist Teil des Forschungskonsortiums „Umeå Centre for Microbial Research UCMR. Weitere Information zum Labor: www.mims.umu.se.
Das Institut für Molekulare Infektionsbiologie (IMIB) ist eine interdisziplinäre Einrichtung der Medizinischen Fakultät der Universität Würzburg. Die Forschung konzentriert sich auf die Erreger von Infektionskrankheiten. Die Forschungsschwerpunkte liegen auf der Analyse molekularer Mechanismen der Genregulation in krankheitserregenden Bakterien, Parasiten und Pilzen, sowie Abwehrreaktionen von Wirten. www.infektionsforschung.uni-wuerzburg.de
Quelle pressrelations.de