Kirche und Obrigkeit war „wüstes und unsittliches Fastnachtstreiben“ ein Dorn im Auge: Andachtsübung drängt „Ausschweifungen“ zurück

Feb 17, 2009

Beim Blick auf die vielen Uniformen der Karnevalisten könnte man glauben, Fastnacht sei preußisches Brauchtum. Doch gerade die Preußen waren es, die im 19. Jahrhundert in Westfalen mit sehr unterschiedlichem Erfolg versuchten, viele karnevalistische Bräuche zu verbieten. Es gab zum Beispiel das „Wurstaufholen“, ausgelassene Zechereien und Tanzvergnügen bis weit über die Polizeistunde hinaus oder die Beerdigungszeremonie, bei der die Jecken zu Beginn der Fastenzeit die Fastnacht in Gestalt einer Strohpuppe in feierlichem Zug zu Grabe trugen.

LWL-Volkskundler Dr. Peter Höher: „Das lag in erster Linie daran, dass Preußen protestantisch geprägt war. Denn die evangelische Kirche hat schon kurz nach der Reformation die ihrer Meinung nach unmäßigen und ausufernden Feiern an Karneval recht erfolgreich verboten. Die katholische Kirche wollte nicht so rigoros sein und den Menschen vor der kargen Zeit des Fastens noch etwas Lebensfreude und Genuss gönnen. Deshalb ging sie eher halbherzig vor und bekämpfte nur die schlimmsten Auswüchse“, erklärt LWL-Volkskundler Dr. Peter Höher.

Hintergrund

Mit der Preußen-Herrschaft kamen auch in die katholischen Gegenden Westfalens schärfere Verbote. „So haben die Preußen zum Beispiel jungen Männern das heute noch im Münsterland bekannte Wurstaufholen verboten, bei dem junge, unverheiratete Männer von Haus zu Haus gingen und Würste für eine gemeinsame Feier sammelten“, so Höher. Sie verboten auch das Gänsereiten und Hahnköppen – ein „Turnierspiel“ bei dem die Reiter versuchten, einer an den Beinen aufgehängten lebenden Gans oder einem Hahn den Kopf abzureißen oder abzuschlagen. Untersagt wurden auch die ungezügelten, wilden Umritte zu Pferd, die man mit den ebenfalls verbotenen Autorennen der Jugendlichen heute vergleichen kann. Wenig Verständnis hatten die Preußen auch für die ausgelassenen Zechereien und Tanzvergnügen, bei denen die Polizeistunde einfach ignoriert wurde und sich – zur Entrüstung der kirchlichen und weltlichen Obrigkeit – die unverheiratete Jugend ohne jegliche Beaufsichtigung traf.

Dennoch wagte man nicht, ein generelles Fastnacht-Verbot auszusprechen. Der entscheidende Wandel kam dann durch eine Initiative der katholischen Kirche: Vor allem im Bistum Münster gelang es vielen Pfarrern, dem „wüsten, unsittlichen Fastnachtstreiben“, wie sie es nannten, ein Ende zu setzen. Sie hatten nämlich an diesen „tollen Tagen“ das so genannte Vierzigstündige Gebet in ihrer Pfarrei eingeführt – eine besondere Form der Andacht ohne Unterbrechung. Überraschenderweise hörten die Pfarrkinder auf ihre Pastöre und machten die Andachtsübung mit; die Fastnachtsausschweifungen gingen stark zurück. Deshalb ermunterte der Bischof von Münster seit den 1850er Jahren alle Pfarrer seiner Diözese, diese Andacht zur Bekämpfung der Fastnacht einzuführen. Um dem kirchlichen Termin aus dem Weg zu gehen, findet in Gescher (Kreis Borken) der Karnevalsumzug daher bis heute weit vor den „tollen Tagen“ statt.

Karnevalsgesellschaften, wie sie vom Bürgertum der größeren katholischen Städte in Westfalen bereits recht früh gegründet worden waren (in Münster und Paderborn in den 1830er Jahren), gab es in ländlichen und kleinstädtischen Gemeinden vor 1890 nur selten, meistens entstanden sie erst im 20. Jahrhundert.

Je mehr Vereine gegründet wurden, desto mehr Karnevalsfeiern und -bälle wurden veranstaltet. Die alten Fastnachtsbräuche dagegen empfand man mehr und mehr als „peinlich“, als unmodern und provinziell; so ließ die Beteiligung mit der Zeit immer mehr nach. Schließlich blieb zum Beispiel das „Heischen“, also das Einsammeln der Würste und Bonbons, als reiner Kinderbrauch in einigen Teilen Westfalen bis heute erhalten.

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Herr Markus Fischer
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Quelle (lifePR)

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