Mehrere hundert Menschen pro Jahr müssten in Deutschland nicht sterben, wenn erwiesenermaßen wirksame Maßnahmen an Straßen mit Bäumen ergriffen würden. Das ist die Quintessenz langjähriger Untersuchungen der Unfallforschung der Versicherer (UDV). Noch immer ist der Baumunfall auf Landstraßen die häufigste Einzelursache von tödlichen Verkehrsunfällen (knapp 30 Prozent). In einzelnen Bundesländern ist dieser Anteil noch deutlich höher, z. B. in Brandenburg (61 Prozent), in Mecklenburg-Vorpommern (46 Prozent) und in Niedersachsen (41 Prozent). Im Jahr 2006 starben in Deutschland 1.034 Menschen durch Baumunfälle. Seit der Einführung der „Baumunfallstatistik“ im Jahr 1995 haben fast 20.000 Menschen ihr Leben nach dem Aufprall auf Bäume verloren.
Wie schrecklich Unfälle an Bäumen enden und wie wenig Seitenairbags oder die Fahrzeugstruktur zur Abmilderung des Aufpralls beitragen können, haben Versuche gezeigt, die die UDV auf dem DEKRA-Testgelände in Neumünster durchgeführt hat. Dabei zeigte sich, dass schon ein seitlicher Aufprall an einen Baum mit 55 km/h für die Fahrzeuginsassen schwerste oder gar tödliche Verletzungen zur Folge hat. Bei einem Crash mit 90 km/h, eine durchaus realistische Geschwindigkeit in Alleen, in denen die Bäume ungeschützt am Straßenrand stehen, zerteilt oder zerfetzt der Baum das Auto regelrecht: Die Insassen haben dann keine Überlebenschance mehr.
„Deshalb ist es so wichtig, dass die Verantwortlichen die Probleme erkennen und die richtigen Maßnahmen ergreifen“, so Siegfried Brockmann, Leiter der UDV in Berlin, „zumal die Autofahrer Alleen subjektiv als wenig gefährlich empfinden“. Das Gegenteil ist aber der Fall: Das Risiko, getötet zu werden, ist nach dem Abkommen von der Fahrbahn dreimal so hoch, wenn das Fahrzeug an einen Baum prallt, gegenüber dem hindernisfreien Seitenraum.
„An erster Stelle muss die sorgfältige Analyse des Unfallgeschehens stehen“, so Brockmann. Arbeiten die Unfallkommissionen, die dafür zuständig sind, sorgfältig und konsequent und werden deren vorgeschlagene Maßnahmen dann auch umgesetzt, können die Stellen im Straßennetz, an denen immer wieder schwere Baumunfälle passieren, fast vollständig entschärft werden, ohne dass dabei die Kettensäge oder die Axt zum Einsatz kommen müssen. Denn ein Entfernen von Bäumen ist in den allermeisten Fällen gar nicht notwendig.
In der Praxis als sehr wirksam erwiesen haben sich Schutzplanken und die Festlegung einer Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h in Alleen. Diese Höchstgeschwindigkeit muss – vor allem an Unfallhäufungen – allerdings konsequent überwacht werden, damit sie eingehalten wird. Allein damit lassen sich an Unfallhäufungen schwerste und tödliche Unfälle um 50 bis 80 Prozent reduzieren.
Deshalb fordert die Unfallforschung der Versicherer:
– maximal Tempo 80 in Alleen mit gezielter Überwachung an Unfallschwerpunkten,
– Schutzplanken an Unfallschwerpunkten,
– sinnvolle Kombination bekannter und wirksamer Maßnahmen und
– kein Nachpflanzen oder Neupflanzen von Bäumen ohne Schutzplanken.
Geeignete Maßnahmen
– Systematische Analyse des Unfallgeschehens durch die Unfallkommission
– Schutzplanken
– Überholverbote
– Kurvenbegradigung
– Konsequente Geschwindigkeitsüberwachung an Unfallhäufungen
– Herausnahme von stark belasteten Straßen aus Alleen
Ungeeignete Maßnahmen
– Maßnahmen nach dem Gießkannenprinzip oder dem „Bauchgefühl“
– Baumspiegel
– Zusatzschilder, die vor dem Aufprall auf Bäume warnen
– Willkürliche zulässige Geschwindigkeiten ohne Überwachung
– Profilierte Randmarkierungen
– Nachpflanzen von Bäumen ohne Schutzplanken
– Pflanzung von Alleebäumen in größerem Abstand (bis 9 Meter)
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