(Mynewsdesk) Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V. (BPI) fordert die Krankenkassen auf, ihren Beitrag zur Erhöhung der Liefersicherheit und Vermeidung von Lieferengpässen zu leisten. „Dass ausgerechnet die AOK Baden-Württemberg, die federführend für die AOKen Rabattverträge koordiniert und DER Vorreiter bei Rabattverträgen ist, jetzt Forder-ungen zu weiteren Sanktionen aufstellt, ist absurd. Christopher Hermann sollte jetzt seine Hausaufgaben machen, statt planwirtschaftliche Maßnahmen wie eine vollständige Überwachung von Liefermengen versorgungskritischer Arzneimittel in der gesamten Lieferkette vom Hersteller über den Großhandel bis zu Apotheke zu fordern. Planwirtschaft hat noch nie funktioniert: Wir brauchen einen funktionierenden Markt!“, so Dr. Norbert Gerbsch, stv. Hauptgeschäftsführer des BPI.
Noch vor fünf Jahren feiert AOK-Chef Christopher Hermann sich und seine Rabattverträge als „Mittel einer effizienten Arzneimitteltherapie“. Jetzt folgt die Katerstimmung: Denn was die Krankenkassen durch Rabattverträge an Geld einsparen, bezahlen deren Versicherte mit höheren Risiken der Versorgungssicherheit. „Wir haben davor gewarnt, dass der Preisdruck eine Marktkonzentration provoziert. Immer mehr kleine und mittlere Unternehmen hat diese Kassen-Politik in den vergangenen Jahren aus diesem Markt gedrängt. Andere haben ihr Produktportfolio reduzieren müssen“, so Dr. Norbert Gerbsch. Der BPI fordert seit langem eine grundlegende Reform der Rabattvertragspraxis zwischen Krankenkassen und Pharmaunternehmen. Gerbsch: „Das Risiko für Lieferengpässe wäre geringer, wenn es grundsätzlich erst Ausschreibungen für Arzneimittel geben darf, wenn mindestens vier Anbieter im Markt sind und zudem die Krankenkassen an mindestens drei Anbieter Zuschläge erteilen müssen, von denen mindestens einer den Standort seiner Produktionsstätte in der EU nachweisen muss.“
Das Risiko für Lieferengpässe steigt dagegen, wenn Krankenkassen sich aus Kostengründen nur an einen Hersteller binden. Kann dieser aus technischen Gründen nämlich einmal nicht oder nicht rechtzeitig liefern, bekommt der Patient in der Apotheke nicht mehr sein gewohntes Arzneimittel ausgehändigt. Kritisch wird es, wenn nicht mehr genügend Anbieter da sind, die einen Wirkstoff herstellen. Dann kann es sogar zu einem Versorgungsengpass kommen. Unberührt davon haben die Kassen bei den Verhandlungen die Sparschrauben auch in den letzten Jahren ordentlich angezogen: So erhielten sie bereits in 2016 mehr als 3,6 Milliarden Euro an Rabatten auf ihre Arzneimittelausgaben. Das waren rund 14 Prozent höhere Einsparungen als noch im Vorjahr. „Und nun wundert sich Herr Hermann darüber, dass die Anfälligkeit für Lieferengpässe steigt, fordert Reservehaltung und Mengenüberwachung und Sanktionen, statt zu seine Hausaufaufgaben zu machen und zu mehr Anbietervielfalt beizutragen“, so Gerbsch.
Der Gesetzgeber hat erkannt, dass Handlungsbedarf besteht – und reagiert: Mit dem Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz ist zumindest die Ausschreibungspolitik der Krankenkassen für Impfstoffe gestoppt worden. Den Vorschlag der Industrie im Pharmadialog, Rabattvertragsausschreibungen jenseits der Impfstoffe verpflichtend an mindestens drei Bieter zur vergeben, hat die Politik leider nicht aufgegriffen. HIER besteht Handlungsbedarf.
Hintergrund Lieferengpässe
Was sind die möglichen Gründe für Lieferengpässe? Lieferengpässe haben generell verschiedenste Ursachen, wie etwa Unterbrechungen in den Produktionsabläufen, der Abriss der Lieferung durch vorgelagerte Lieferanten, verursacht durch beispielsweise wenn befürchtet wird, das ein Wirkstoff verunreinigt sein könnte. Ein Grund für Lieferengpässe sind nämlich auch die hohen Sicherheitsstandards: Bei dem kleinsten Verdacht z. B. auf Verunreinigung wird aus Sicherheitsgründen die Produktion und Auslieferung angehalten. Hier greifen die vorbildlichen Mechanismen für die Qualitätssicherung. Patientensicherheit geht immer vor!
Was tut die Pharmaindustrie bei Lieferengpässen? Unternehmen melden mögliche Lieferprobleme bei den zuständigen Behörden. Unternehmen tun alles, um Lieferprobleme zu vermeiden und kurz zu halten – sie leben vom Liefern.
Gibt es ernstzunehmende Lieferengpässe?
Jedes nicht lieferbare Medikament ist ein ernstzunehmendes Problem. Nicht jeder Lieferengpass führt auch sofort zu einem Versorgungsengpass. Das Bundesinstitut für Arzneimittel (BfArM), erfasst Meldungen zu Lieferengpässen. Dort liegen derzeit 45 Meldungen zu betroffenen Zulassungen vor – bei insgesamt rund 100.000 Zulassungen. Lieferengpässe sind selten.
Was tut die Industrie zur Vermeidung von Lieferengpässen? Die Verpflichtung der pharmazeutische Industrie ist es, eine angemessene und kontinuierliche Bereitstellung der in Deutschland in den Verkehr gebrachten Arzneimittel sicherzustellen. Sollte den Unternehmen das einmal nicht gelingen und eine Arzneimittelproduktion muss vorübergehend oder endgültig einstellt werden, muss das angezeigt werden, damit sich die Versorgung darauf einstellen kann. Es drohen der Industrie empfindliche Bußgelder, wenn sie den Verpflichtungen mit Vertragspartnern wie den Krankenkassen nicht nachkommen.
Was tut die Kasse gegen Lieferengpässe? Allein im vergangenen Jahr haben 123 Krankenkassen 21.136 Rabattverträge für 15.942 Handelsformen mit 152 Pharmaherstellern abgeschlossen. Laut IMS Health erhöhte sich die Rabattquote unter den patentfreien Präparaten von 61 Prozent (2014) um zwei Prozentpunkte auf 63 Prozent (2015). Inzwischen werden rund 55 Prozent aller Packungen unter Rabattverträgen abgegeben. Zuschläge an mehrere Bieter sind nicht verpflichtend.
Ihr Ansprechpartner: Julia Richter (Pressesprecherin), Tel. 030/27909-131, jrichter@bpi.de
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