Die nunmehr dritte Ausstellung von Susan Hiller in der Galerie Volker Diehl befasst sich mit bedrohten bzw. ausgestorbenen Sprachen sowie dem Bedeutungsverlust tribaler Bild- und Zeichensysteme. Anlass der Ausstellung ist Susan Hillers Beteiligung an der 5. berlin biennale für zeitgenössische kunst, auf der Werke der Künstlerin gezeigt werden, die mit der Galerieausstellung inhaltlich verbunden sind. Der Titel „Journey to the land of the Tarahumaras“ verweist auf die Reise Antoine Artauds zu den Tarahumara-Indianern im Norden Mexikos, bei denen der surrealistische Dichter und Dramaturg 1936 einige Monate lebte. Die Tarahumara haben durch ihr isoliertes Leben sowohl der Missionierung als auch anderen kulturellen Überformungen widerstanden. Artaud erhoffte sich von der Begegnung mit der indigenen Sprache und den Ritualen der Tarahumara – wozu u.a. die Einnahme der psychedelischen Kaktusdroge Peyote gehörte – letztlich eine revolutionäre Veränderung der von Entfremdung und Dekadenz geprägten westlichen Gesellschaft.
Im Zentrum der Ausstellung steht eine Serie großformatiger Piezo-Pigmentprints, bei der es sowohl um eine eingehende Betrachtung von rätselhaften, archaischen Symbolen geht, die Hiller in verschiedenen Teilen der Welt auf Felsen oder in Höhlen gefunden hat, als auch um eine Meditation über deren rituelle Funktion. Es sind Petroglyphen (in Stein geritzte bildliche und grafische Darstellungen), die wegen ihres hohen Abstraktionsgrads und des verlorenen Wissens über den Anlass ihrer Einschreibung sich derzeit als unentzifferbar darstellen. Hiller hat diese Spuren prähistorischer kultureller Aktivität auf Reisen durch Irland, Frankreich, Nord-Amerika und Australien fotografisch dokumentiert. Die Bilder in der Ausstellung zeigen stark vergrößerte und digital modifizierte Ausschnitte dieser Fotos: Ein Prozess der Transformation, der die magisch-halluzinatorische Wirkung der verwitterten Symbole wieder gegenwärtig macht.
Hillers Beschäftigung mit der verlorenen Bedeutung von Zeichen, die lediglich in ihrer materiellen Form, gewissermaßen als leere Hülle ohne Signifikat überliefert sind, vollzieht sich in der Ausstellung sowohl visuell als auch akustisch. Komplementär zu den Prints ist die Arbeit „Last Silent Movie“ von 2007 zu verstehen, die in einer zweiten Version auf der berlin biennale gezeigt wird. Vor einem projizierten Schwarzbild hört der Betrachter die Stimmen von Männern, Frauen und Kindern, die in seltsam klingenden Sprachen reden. Sie singen, erzählen Geschichten oder rezitieren Vokabellisten. Andere beklagen sich über das Unrecht, dass ihre Sprachen in Vergessenheit geraten sind und adressieren dabei direkt den Betrachter. Hillers Ton-Choreographie thematisiert auf unheimliche Weise den Prozess historischer Auslöschung und der Flüchtigkeit kultureller Überlieferung. Gleichzeitig befragt die Künstlerin das eurozentrische Konzept und Selbstbild der modernen Zivilisation. Auf „Last Silent Movie“ ist eine Serie von Radierungen bezogen, die mit den grafischen Darstellungen von Klangwellen der unterschiedlichen Sprachen operiert, die in dem Video gesprochen werden.
Susan Hiller wurde 1940 in Tallahassee, Florida (USA) geboren und lebt seit 1969 in London. Ihr konzeptuelles, von anthropologischen Fragen geprägtes Werk hat großen Einfluss auf jüngere Künstlergenerationen. Es ist eine Ausgrabung der übersehenen, unbekannten oder verworfenen Bestandteile unseres kollektiven Alltags. In seiner Gesamtheit wurde es auch als eine Erforschung des Unbewussten unserer Kultur bezeichnet. Susan Hiller hat zahlreiche Preise gewonnen, ihre Arbeiten werden in aller Welt gezeigt. Ihre künstlerische Karriere überspannt mehr als 30 Jahre und beinhaltet große Einzelausstellungen, unter anderem im Institute of Contemporary Arts, London (1986), in der Tate Liverpool (1996), in der Tensta Konsthalle, Stockholm (1999), in der Gagosian Gallery, New York (2001), im Baltic Center of Contemporary Art, Gateshead (2004) und in der Kunsthalle Basel (2005). „Journey to the land of the Tarahumaras“ ist nach 2003 und 2006 Hillers dritte Ausstellung in der Galerie Volker Diehl. Neben dieser Ausstellung und der Teilnahme an der 5. berlin biennale stellt Susan Hiller in diesem Jahr auch in der BAWAG-Generali Foundation Wien aus.
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In Berlin zeigt die Galerie Volker Diehl seit mehr als 20 Jahren Ausstellungen zeitgenössischer Kunst mit internationaler Relevanz. Das Programm beinhaltet u.a. das russische Künstlerduo Blue Noses, die indische Künstlerin Shilpa Gupta und den chinesischen Künstler Zang Huan. Die Galerie ist im September 2007 in neue, 400 Quadratmeter große Räume in einem Galeriehaus in der Lindenstraße in Berlin-Kreuzberg gezogen. In der früheren Adresse in der Zimmerstraße in Berlin-Mitte werden seitdem unter dem Namen Diehl Projects junge Künstler und gastkuratierte Ausstellungen gezeigt. Im April 2008 eröffnet zudem die Dependance Diehl + Gallery One in Moskau.
Quelle (openPR)