Therapie im Hochgebirge bringt viele Vorteile
Von den erwachsenen Asthmapatienten leiden zwei Drittel an einem allergischen Asthma, bei Kindern der überwiegende Teil. Daher sind Maßnahmen der Allergenkarenz und -reduktion in der häuslichen Umgebung für das nicht-medikamentöse Management der Erkrankungen von großer Bedeutung. Eine möglichst allergenarme, am besten allergenfreie Umgebungssituation sollte für die wohnortferne Rehabilitation von Asthmapatienten immer angestrebt werden und unterstützt die optimale Effektivität der Maßnahme wesentlich. Mehrere aktuelle Studien haben gezeigt, dass die Situation der Behandlung im Hochgebirge deutliche Therapievorteile bringt [1]. Im europäischen Hochgebirge (Alpen) besteht regional und höhenabhängig eine vollständige Hausstaubmilbenfreiheit (perenniale Allergene) und eine deutlich niedrigere Konzentration an saisonalen Allergenen (Pollen, Schimmelpilze) sowie eine sehr verkürzte Saison für diese Allergene. Mehrere Studien zeigten eine relevante Reduktion von verschiedenen Markern der Atemwegsinflammation wie exhaliertes Stickstoffoxid (FENO) [2], eosinophile Leukozyten in Blut und Sputum, ECP und Aktivierungsmarker für T-Lymphozyten [3]. Gleichzeitig wurde eine Verbesserung der Lungenfunktion gezeigt [4]. Eine neuere niederländische Studie mit einer Kontrollgruppe im Flachland zeigte, dass eine kurze Periode der rigorosen Allergenkarenz im Hochgebirge zu einer Verbesserung des Asthmas führte, die anhand der klinischen Parameter, des Rückgangs von Labormarkern wie bronchiale Hyperreagibilität oder Leukotrien E4 im Urin festgestellt werden konnte [5]. „Die hier zusammenfassend dargestellten Studien sprechen dafür, dass günstige Wirkungen des Hochgebirgsklimas sowohl bei allergischem als auch bei intrinsischem, steroidpflichtigem Asthma eintreten, zusätzlich zur Pharmakotherapie am Heimatort, erklärten die Referenten Dr. Thomas Rothe und PD Dr. Günter Menz auf dem Symposium „Aggressive Allergene durch den globalen Klimawandel“ in Davos am 27.10.2007.
Vorteile der Hochgebirgstherapie auch bei Dermatosen
Die schwere, chronische, den Patienten lebenslang begleitende Dermatose bedeutet sowohl für sein soziales Umfeld als auch für seine Familie und für den ambulant behandelnden Arzt eine ständige Herausforderung, so Dr. Claudia Steiner, Co-Chefärztin der Klinik für Dermatologie und Allergologie der Hochgebirgsklinik Davos. Nicht selten kommt es im Laufe der Erkrankung zu Verschlechterungen, die ambulant nicht mehr oder nur unter Einsatz einer nebenwirkungsreichen Therapie zu beherrschen sind. Oft werden zudem diagnostische Maßnahmen erforderlich, die unter ambulanten Bedingungen ein hohes Risiko in sich bergen. In diesem Falle bieten sich die einzigartigen therapeutischen Bedingungen des Hochgebirgstales von Davos an. Die Luft ist nahezu frei von Staub und Schadstoffen, trocken und wirkt durch einen verringerten Sauerstoffgehalt auf verschiedene Organsysteme anregend. Die Belastung mit Allergenen ist sehr gering, Hausstaubmilben kommen aufgrund der Höhenlage nicht vor, Schimmelpilzsporen und Pflanzenpollen sind im Vergleich zur Ebene wesentlich erniedrigt. Insbesondere das Strahlenklima mit langer Sonnenscheindauer und einem aufgrund der Höhenlage insbesondere für Patienten mit atopischen Ekzem aber auch mit Patienten mit Psoriasis vulgaris sehr günstigem UV-Spektrum wirkt sich immunmodulierend auch auf viele weitere chronische Hauterkrankungen aus.
Nach Angaben von Dr. Steiner ist ein Aufenthalt unter den therapiebegünstigenden reizklimatischen Bedingungen des Hochgebirges von Davos ist notwendig bei:
– ambulanter Therapieresistenz
– Progredienz unter ambulanter Therapie
– nach stationärer Resistenz und/ oder häufiger Rückfälligkeit nach stationärer Behandlung – akutem Schub erheblichen Ausmaßes – Befall der Hände und Füße mit Funktionsbeeinträchtigung – ausgedehntem Befall (Präerythrodermie, Erythrodermie) – ambulanter Beherrschbarkeit nur unter Einsatz nebenwirkungsreicher Medikamente – Steroidentzug – erforderlicher komplexer externer Behandlung, die nur durch fachdermatologisches Personal durchgeführt werden kann und tägliche ärztliche Präsenz erfordert
Im therapeutischen Konzept der Hochgebirgsklinik spielt die Klimatherapie eine entscheidende Rolle, wobei die ganzjährig mögliche Heliotherapie ein wichtiger Bestandteil ist. Die UV-Strahlung liegt mit etwa 24 % höher als auf Meereshöhe und wird im Winter durch den Schnee verstärkt. Das Strahlenspektrum der Hochgebirgssonne enthält UVA- und UVB-Strahlung in einem höhenspezifischen UVB-betonten Verhältnis. Im Vergleich zu selektiver künstlicher UV-Therapie ist die natürliche Höhensonne schonender, da sie niedriger dosiert werden kann. Weiterhin wirken photobiologische immunmodulatorische Effekte auf die Haut. Der Organismus wird durch die Höhe und den dadurch bedingten Sauerstoffmangel zu einer sofortigen Anpassung gezwungen, es kommt zu einer Kreislaufaktivierung, zu einer Vertiefung der Atmung und damit zu einer allgemeinen Umstellung des Körpers auf Aktivität und Belastbarkeit. Für den Neurodermitiker bedeutet dies, dass durch den Sauerstoffmangel Herz und Kreislauf aktiviert und konsequenterweise auch die Hautdurchblutung verbessert wird.
Höhenklimatisch bedingt ist eine erhöhte körpereigene Cortisolausschüttung. Dadurch besteht die Möglichkeit, corticoidhaltige Externa sowie eine systemische Steroidtherapie abzubauen. Eine niedrigere Luftfeuchtigkeit fördert die Abdunstung der Haut. Dies führt zu einer Erniedrigung der Hauttemperatur und zu einer Minderung des Juckreizes. Die Entfernung von Alltag und Arbeitsplatz wirken sich günstig auf Psyche und Haut aus. Die externe Dermatotherapie gestaltet sich mild und möglichst corticosteroidfrei. Die Präparate werden je nach Hautzustand eingesetzt.
Darüber hinaus erfolgen adjuvante Maßnahmen. Psychischer, sozialer Stress wird oft als Auslösefaktor bei einem Neurodermitisschub angegeben. Da sehr viele Patienten nicht in der Lage sind, die zugrunde liegenden Probleme alleine zu bewältigen bzw. Bewältigungsstrategien zu entwickeln, steht professionelle Hilfe durch ein Psychologenteam zur Verfügung. Zudem werden Entspannungstherapien, Verhaltenstraining, intensive Schulung wie Krankheitsbewältigung mit Juckreiztraining, Vermeiden von Auslösefaktoren, Schulungen in Hautreinigung und Pflege und Schulungen in Selbstbehandlung angeboten.
Im Rahmen dieses Gesamtkonzepts gelingt eine Abheilung und Stabilisierung des Hautbefundes, der Patient ist in der Lage, ein „Management“ seiner Erkrankung zu übernehmen, so Steiner.
Klimawandel und Allergien
Das Klima wird durch verschiedene Faktoren wie Erdbahnschwankungen und natürlich die Sonneneinstrahlung beeinflusst. Messergebnisse des Weltstrahlungszentrums in Davos haben gezeigt, dass die Sonneneinstrahlung im Durchschnitt abgenommen hat, die Temperatur auf der Erde aber dennoch im gleichen Zeitraum stark anstieg. Dr. Julian Gröbner vom Physikalisch-Meteorologischen Observatorium Davos folgerte daraus, dass nicht die Sonne, sondern der Mensch für die derzeitige Erderwärmung und den damit verbundenen Klimawandel verantwortlich ist.
Für Dr. Matthias Möhrenschlager, Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie am Biederstein, TU München, steht der Einfluss von Umweltfaktoren außer Zweifel – sowohl im Hinblick auf die Pollenanzahl, auf neue Pollen und auf veränderte Pollen mit modifizierter allergener Potenz. Neuen Erkenntnissen zufolge sind Pollen in der Außenluft nicht nur Allergenträger, sondern sie setzen auch hochaktive proinflammatorische Botenstoffe frei, sog. „Pollen-Associated Lipid Mediators“ (PALMs). Phytoprostane, eine Untergruppe der PALMs, verstärken den Wechsel von einer TH1-Antwort auf eine TH2-Antwort bei dendritischen Zellen. Bei Prävention und Behandlung müssen in Zukunft diese veränderten und neuen Pollen vom Allergologen berücksichtigt werden, so Möhrenschlager.
Einfluss von Umweltfaktoren auf Erkrankungen
Die Frage, ob Umweltfaktoren Einfluss auf Erkrankungen nehmen oder Ursache für die rapide Zunahme von Asthma und Allergien ist, spielt eine immer größere Rolle. PD Dr. Roger Lauener, Leitender Arzt an der Universitäts-Kinderklinik Zürich, stellte in diesem Zusammenhang Studien und Beobachtungen zur Diskussion, die zeigen, dass Kinder, die häufig mit viralen oder bakteriellen Krankheitserregern konfrontiert werden, später einem geringeren Risiko ausgesetzt sind, an einer Allergie zu erkranken. Diese sog. Hygienehypothese besagt, dass das Immunsystem eine Gewöhnung bei regelmäßiger Auseinandersetzung mit Mikroben erfährt. Dabei haben Kinder, die in ländlichen Gegenden oder auf Bauernhöfen aufwachsen, eine Vorteil gegenüber Kindern, die in der Stadt leben und auch Einzelkindern, die zudem noch wenig Kontakt zu anderen haben. Bislang kann diese These allerdings nicht bekräftigt werden, so Lauener abschließend, da wir zur Zeit noch viel zu wenig verstehen, welche Faktoren auf einem Bauernhof Schutz vor Allergien vermitteln.
Die Allergiekarriere rechtzeitig stoppen
Für Dr. Hans-Joachim Mansfeld, Chefarzt der Allergieklinik – Zentrum für Kinder und Jugendliche – an der Hochgebirgsklinik Davos, stellt Asthma bronchiale inzwischen die häufigste und somit wichtigste chronische Erkrankung des Kindes- und Jugendalters dar. Die Chancen einer Spontanheilung sind äußerst gering und es droht der Übergang in das progrediente chronisch-obstuktive Atemwegsleiden des Erwachsenen.
Präventiv- und Behandlungsinterventionen sollten daher idealerweise bald nach der Geburt erfolgen, da Fehlentwicklungen des Immunsystems wahrscheinliche bereits im pränatalen bzw. Säuglingsalter entstehen, folgerte Mansfeld. Als primäre Allergieprävention bei Hochrisikokindern empfiehlt er das Stillen während der ersten 4-6 Monate, hypoallergene Ernährung und die Vermeidung des Passivrauchens. Sollten sich bereits erste allergische Symptome beim Kind manifestiert haben, ist die einzige medikamentöse therapeutisch-kausale Therapiemaßnahme die allergen-spezifische Immuntherapie, die als höchst effiziente Maßnahme in Form von subkutaner (SIT) oder sublingualer (SLIT) Applikationsweise gilt.
Fazit
Allergien sind komplexe Krankheitsbilder, die verschiedene Organe betreffen und in ihrem variablen, chronisch und chronisch-rezidivierendem Verlauf den Therapeuten vor große Probleme stellen. Neben der konstitutionellen Beschaffenheit des Patienten kommt den Umweltfaktoren zusätzlich zur Allergenexposition in der Ausprägung der Krankheit zentrale Bedeutung zu. Dies macht sowohl die Diagnose als auch die Behandlung schwierig. Daher muss in der Betreuung ein Gesamtkonzept greifen, das alle relevanten Aspekte berücksichtigt. Die Behandlung in Hochgebirgslage (über 1.500 m) hat sich von großem therapeutischen Vorteil für Atemwegs- und Allergiepatienten erwiesen. Das interdisziplinäre Kompetenznetzwerk der Bereiche Allergologie, Pneumologie und Dermatologie der Hochgebirgsklinik Davos bietet zusätzlich optimale Voraussetzungen für die Behandlung selbst schwerster Fälle.
Literatur:
[1] Schultze-Werninghaus, Chem Immunol Allergy 2006; Menz, Exp Rev Respir Med 2007
[2] Karagiannidis et al., Scand J Immunol 2006
[3] van Velzen et al., Thorax 1996; Boner et al., Clin Exp Allergy 1993; Boner et al., Allergy 1993; Simon et al., Pediatr Pulmonol 1994; Virchow et al., J Allergy Clin Immunol 1994
[4] Simon et al., Pediatr Pulmonol 1994; Virchow et al., J Allergy Clin Immunol 1994) und eine Verminderung der bronchialen Hyperreagibilität (Benckhuijsen et al., Pediatr Pulmonol 1996
[5] Grootendorst et al., Clin Exp Allergy 2001
Quelle (lifePR)